Camelot in Grunewald (B00N1P8AGW) by Uwe Pörksen
Autor:Uwe Pörksen [Pörksen, Uwe]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406669590
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2014-08-22T04:00:00+00:00
«König Artus in Dahlem»
Spiegel-Redakteur Jörg R. Mettke über die Gelehrtenrunde des
neuen Wissenschaftskollegs (© SPIEGEL 14/1982)
Das Haus Wallotstraße 19, überm Halensee auf knapp 5000 Quadratmetern Grund gelegen und vor 72 Jahren von einem Mitglied der Kaufhaus-Familie Tietz gebaut, wäre früher eine bessere Adresse genannt worden.
Um die Ecke liegt das Berliner Heim des Louis Ferdinand Prinz von Preußen, gleich daneben der Besitz von Berlins berühmtester Bau-Frau Sigrid Kressmann-Zschach mit zweieinhalb Tagwerk Auslauf.
Nummer 19 dagegen, nach dem Krieg kurzzeitig als britischer Offiziersclub genutzt, stand lange Zeit leer und war im Grundbuch als Immobilie des Bundesluftschutzverbandes eingetragen. Erst seit Herbst vergangenen Jahres kann das Objekt wieder mithalten im Grunewald.
Seitdem beherbergt das für 4,7 Millionen Mark stilvoll hergerichtete Bürgerschloß die ersten 18 Gäste des «Wissenschaftskollegs zu Berlin», eine nach Art und Anspruch gänzlich neuartige Einrichtung im westdeutschen Bildungsbetrieb.
Sein angelsächsischer Beiname «Institute for Advanced Study» ist wegen philologischer Bedenken gar nicht erst ins gemeine Deutsch gebracht worden, und auch der Gründungsrektor Peter Wapnewski benutzt gern Latinismen («akademische communitas») und Anglizismen («scientific community»), um das Universelle darzutun.
Seine Zunftgenossen heißen «Fellows», wie im amerikanischen Princeton, und unter ihnen sind sieben Bundesdeutsche, vier Polen, zwei Nordamerikaner, zwei Israelis, eine Österreicherin, ein Italiener und ein geborener Wiener aus Mexiko.
Wissenschaftlich erscheint das Kolleg gut durchmischt: fünf Germanisten, vier Historiker, zwei Soziologen, zwei Romanisten, ein Politologe, ein Religionswissenschaftler, ein Pädagoge, ein Sozialphilosoph – und, zwischen allen Disziplinen, der freundlich-polyglotte Grenzgänger Ivan Illich. Nur die Naturwissenschaft, nach vorherrschender Volks- und Politikermeinung verläßliche Nährmutter von Wohlstand und Fortschritt, ist im Grunewald bislang nicht vertreten.
Die Geschlechter-Bilanz im Kolleg ist so fatal unausgeglichen wie auch anderswo im wissenschaftlichen Betrieb. Gegen 16 Männer stehen nur zwei Frauen – die Romanistin Michal Ginsburg aus dem US-Staat Illinois und Helga Nowotny, Soziologin aus Wien und dort Direktorin des «European Center for Social Welfare».
Insgesamt zehn Monate lang, noch bis zum Juli, sollen die versammelten Intelligenzien – und danach sorgsam ausgewählt Jahr für Jahr neue Durchgänge – nach dem Willen der gastgebenden Gemeinde mindestens dreierlei leisten: der geteilten Stadt mit dem Abriß-Image einen Hauch von wissenschaftlichem Aufwind zufächeln, der Erkenntnis wegen immerzu das interdisziplinäre Gespräch pflegen und schließlich, sofern bereits im heimischen Zettelkasten herangereift, das persönliche «Opus magnum» (Wapnewski) vollenden – «Made in West-Berlin» als zukünftiges Gütezeichen für wissenschaftliches Weltniveau.
Das ist jedenfalls die gar nicht geheime Hoffnung des Kolleg-Managements, das von der Stiftung Volkswagenwerk als einmalige Starthilfe 3,5 Millionen Mark bekommen hat und vom Land Berlin jährlich 3,6 Millionen Mark vereinnahmt. Der Jahresetat des Kollegs soll demnächst, bei voller Auslastung durch 40 Fellows, auf sieben Millionen Mark anwachsen.
Die Berliner Universitäten haben zwar gerade erst ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, mit dem feinen Neuling zu kooperieren, dabei aber zugleich ihre Irritation über «Eliteanspruch» und «aufwendige Personalausstattung» der Kolleg-Verwaltung ausgesprochen: Das eine diskreditiere die reformierten Hochschulen, das andere sei eine Zumutung angesichts der den Universitäten auferlegten Sparmaßnahmen.
Die Philosophin Margherita von Brentano sprach auf einer Sitzung des Akademischen Senats der Freien Universität sogar von der «unverkennbaren Verachtung für die Massenuniversität», mit der das Kolleg-Konzept formuliert sei.
Aber Hans-Martin Gauger, Romanist aus Freiburg, beschwört, noch ehe die
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